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Die deutsche Wirtschaft ist trotz Ukraine-Kriegs und Energiekrise im dritten Quartal überraschend gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte um 0,3 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte. Die Wirtschaftsleistung wurde demnach vor allem von den privaten Konsumausgaben getragen - obwohl die Inflation schon seit Monaten sehr hoch ist. Im Oktober stieg sie auf voraussichtlich 10,4 Prozent.
Das Wachstum von Juli bis September reichte aus, um die deutsche Wirtschaft wieder über das Vorkrisenniveau zu hieven. Im Vergleich zum vierten Quartal 2019 - dem Quartal vor Beginn der Corona-Krise - lag das BIP laut Statistik 0,2 Prozent höher, wie die Statistiker mitteilten. Im Vergleich zum dritten Quartal 2021 lag das Plus bei 1,1 Prozent. Die Angaben des Bundesamtes sind preisbereinigt.
Der Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigte sich derweil weiter. Im September - Ende des dritten Quartals - lag die Inflation bei 10,0 Prozent zum Vorjahresmonat, im Oktober beschleunigte sich der Anstieg auf 10,4 Prozent, wie die Statistiker ebenfalls am Freitag aufgrund vorläufiger Ergebnisse mitteilten. Verglichen mit September stiegen die Preise um 0,9 Prozent.
Besonders stark legten wie in den Vormonaten die Energiepreise zu, sie stiegen um 43 Prozent im Vorjahresvergleich. Nahrungsmittel verteuerten sich ebenfalls überdurchschnittlich um 20,3 Prozent. Dienstleistungen wurden nur um 4,0 Prozent teurer, darunter Wohnungsmieten um 1,8 Prozent.
Einer Unternehmensumfrage des Münchener Ifo-Instituts zufolge müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter mit steigenden Preisen rechnen. "Der jüngste Rückgang der Großhandelspreise für Gas wird sich kaum auf die kurzfristigen Inflationsaussichten auswirken und könnte erst später im Jahr 2023 zu einer Entspannung führen", erklärte auch ING-Analyst Carsten Brzeski.
Beim BIP hatten die Analysten mit einem Minus gerechnet. Das Plus von 0,3 Prozent sei "absolut verblüffend", erklärte Jens-Oliver Niklasch von LBBW. "So viele Indikatoren zeigen, dass sich die Konjunktur seit Monaten deutlich verlangsamt, und jetzt sehen wir im dritten Quartal sogar eine Wachstumsbeschleunigung."
Wahrscheinlich hätten der Nachhall der Wiedereröffnungen nach Corona sowie das sommerliche Entlastungspakets die negativen Faktoren des Energiepreisanstiegs und des Ukraine-Kriegs überkompensiert, mutmaßte er.
Die Experten rechnen dennoch weiterhin im Winterhalbjahr mit einer Rezession - dass also die Wirtschaft mindestens zwei Quartale in Folge schrumpft. Sie könnte zwar weniger gravierend ausfallen als zunächst befürchtet, aber sich wegen der hohen Inflation "für die meisten Menschen deutlich schwerer anfühlen", warnte die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib.
Die Unternehmen dagegen seien "auch dank staatlicher Unterstützung gut vorbereitet", erklärte der Analyst Ulrich Kater von der DekaBank. Es würden kaum Arbeitsplätze verloren gehen, schätzt er.
Aufgrund der anhaltenden Corona-Krise und der Folgen des Kriegs in der Ukraine sind die Ergebnisse der Statistiker derzeit mit größeren Unsicherheiten als sonst üblich behaftet, wie sie erklärten. So korrigierten sie die Zunahme des BIP im zweiten Quartal leicht von 0,2 auf 0,1 Prozent herunter. Im ersten Quartal hatte die Wirtschaft noch um 0,8 Prozent zugelegt.
Im Nachbarland Frankreich behauptete sich die Wirtschaft im Sommer ebenfalls, das BIP legte laut dem französischen Statistikamt im dritten Quartal um 0,2 Prozent zu. Auch in Spanien wuchs das BIP von Juli bis September um 0,2 Prozent, wie das Statistikinstitut in Madrid mitteilte. In Österreich sank es leicht um 0,1 Prozent.
S.Palmer--TFWP