Euro STOXX 50
41.3700
Der Videoplattform Tiktok droht die Abschaltung in den USA ab Sonntag. Nachdem das Oberste Gericht die Gültigkeit eines Gesetzes bestätigt hat, wonach Tiktok bei seinem Verbleib im Besitz des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance aus den App-Stores verschwinden muss, forderte Tiktok die US-Regierung am Freitagabend (Ortszeit) zum Eingreifen auf. Sollte die Regierung keine Klarheit über die Zukunft des Dienstes schaffen, werde der Dienst am Sonntag abgeschaltet, erklärte das Unternehmen.
Das Gesetz schreibt die Verbannung von Tiktok aus den App-Stores am Sonntag vor, sollte Bytedance den Dienst bis dahin nicht verkauft haben. Am Tag danach tritt der neue US-Präsident Donald Trump sein Amt an. Der scheidende Präsident Joe Biden sieht sich deshalb nicht mehr für die Zukunft von Tiktok zuständig, sondern will die Angelegenheit seinem Nachfolger überlassen.
Angesichts der knappen Zeit sei klar, "dass die Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes von der nächsten Regierung ergriffen werden müssen", erklärte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre am Freitag. Die Videoplattform solle den US-Bürgern weiterhin zur Verfügung stehen, "aber nur unter amerikanischer Eigentümerschaft oder einer anderen Eigentümerschaft, die den nationalen Sicherheitsbedenken Rechnung trägt", hieß es aus dem Weißen Haus.
Das US-Justizministerium teilte seinerseits mit, dass sich die Umsetzung des Gesetzes über einen längeren Zeitraum erstrecken werde.
Tiktok erklärte daraufhin, die "sowohl vom Weißen Haus unter Biden und dem Justizministerium abgegebenen Erklärungen haben es versäumt, den Dienstleistern, die für (...) die Verfügbarkeit von Tiktok für mehr als 170 Millionen Amerikaner unerlässlich sind, die notwendige Klarheit und Sicherheit zu geben".
Das Unternehmen kündigte an, es werde "leider gezwungen sein, am 19. Januar" offline zu gehen, wenn die Regierung Biden "nicht umgehend eine endgültige Erklärung abgibt, die die wichtigsten Dienstleister zufriedenstellt und die Nichtdurchsetzung" des Gesetzes gewährleiste.
Trump, der einen Bann ablehnt, erklärte in seinem Onlinedienst Truth Social, seine Entscheidung zu Tiktok werde er "in nicht allzu ferner Zukunft treffen, aber ich muss Zeit haben, die Situation zu prüfen". Zuvor hatte Trump am Freitag mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping telefoniert und sich dabei nach eigenen Angaben unter anderem über Tiktok ausgetauscht.
Der künftige Präsident hatte erklärt, er sehe eine Möglichkeit, "die Plattform zu retten und gleichzeitig Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit zu zerstreuen". So könnte er der republikanischen Mehrheit im Kongress vorschlagen, den Gesetzestext zu ändern, um Tiktok mehr Spielraum zu verschaffen.
Trumps künftiger Sicherheitsberater Mike Waltz hatte am Donnerstag gesagt, die neue Regierung werde Schritte einleiten, um zu verhindern, dass Tiktok abgeschaltet werde. Er verwies darauf, dass das Gesetz eine mögliche 90-tägige Aussetzung des Verbots vorsehe, wenn ein "tragfähiges Abkommen" in Arbeit sei.
Bei Trumps Vereidigung am Montag in Washington wird neben anderen Tech-Unternehmern auch Tiktok-Chef Shou Chew unter den Gästen sein. Auf der Plattform veröffentlichte Chew ein Video, in dem er Trump für seine Zusage dankte, "mit uns zusammenzuarbeiten, um eine Lösung zu finden, die Tiktok in den Vereinigten Staaten verfügbar hält". Trump "versteht unsere Plattform wirklich", fügte der Tiktok-Chef hinzu.
Das Oberste Gericht der USA hatte zuvor das vom US-Kongress im Frühjahr vergangenen Jahres beschlossene Gesetz bestätigt. Zum einen verletze das Gesetz nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung, zum anderen habe die US-Regierung legitime Sicherheitsbedenken vorgebracht, befanden die Richter.
Bislang schloss Bytedance einen Tiktok-Verkauf in den USA kategorisch aus. In dieser Haltung wurde der Konzern von der Regierung in Peking bestärkt, die von einem Raubgesetz spricht.
Tiktok ist insbesondere bei jungen Menschen beliebt und hat in den USA etwa 170 Millionen Nutzer. Wird die App aus den Stores von Google und Apple verbannt, veraltet sie und wird nach und nach nutzlos.
Bei Tiktok-Nutzern in den USA sorgte die Aussicht auf eine mögliche Abschaltung für Besorgnis. "Ich weiß gar nicht mehr, wie ich mich ohne Tiktok definieren soll", sagte etwa die 24-jährige Ayman Chaudhary der Nachrichtenagentur AFP. Zwar sei sie eher "traurig" als "schockiert", da sie damit gerechnet habe.
H.M.Hernandez--TFWP