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Die sogenannten Wirtschaftsweisen raten der Bundesregierung angesichts der schwächelnden Wirtschaft, zukunftsorientierte Ausgaben zu erhöhen. In ihrem am Mittwoch vorgestellten Jahresgutachten empfehlen sie etwa einen Verkehrsinfrastrukturfonds und Mindestquoten für Bildungs- und Verteidigungsausgaben. Die deutsche Volkswirtschaft wird laut ihrer Prognose in diesem Jahr erneut schrumpfen, und zwar um 0,1 Prozent.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung attestiert der deutschen Wirtschaft neben konjunkturellen große strukturelle Probleme. Das legten die Schwäche der Industrie und die Dauer der Schwächephase nahe, erläuterte die Vorsitzende Monika Schnitzer. In Deutschland habe es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft gegeben. "Umso wichtiger ist es, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben", mahnte Schnitzer.
Die Wirtschaftsweisen empfehlen der Bundesregierung, zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben bei der Haushaltsaufstellung und Finanzplanung "verbindlich" zu erhöhen. Bei Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Verteidigung und Schulbildung trete der gesellschaftliche Nutzen größtenteils erst in der Zukunft ein - daher würden sie von der Politik oft zurückgestellt. Nötig seien daher "institutionelle Vorkehrungen", damit ausreichende Mittel für diese Ausgaben eingesetzt werden.
Für den Erhalt, die Modernisierung und den Ausbau des bundeseigenen Straßen- und Schienennetzes eigne sich ein Verkehrsinfrastrukturfonds mit dauerhaft eigenen Einnahmequellen, die aus dem Bundeshaushalt übertragen werden, wie beispielsweise Mauteinnahmen, erläuterte der Wirtschaftsweise Achim Truger. Der Nachholbedarf zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur könnte über begrenzte Kreditrahmen innerhalb einer "reformierten" Schuldenbremse finanziert werden, schlug er vor. Truger hatte sich kürzlich für eine Aussetzung der Schuldenbremse ausgesprochen.
Für die Verteidigungsausgaben und die Bildungsausgaben, insbesondere für die Schulbildung, schlagen die Wirtschaftsweisen Mindestausgabenquoten vor. Für Verteidigung biete sich das Zwei-Prozent-Ziel der Nato an. "Bei der Bildung könnte ein Indikator ausgehend von Mindestausgaben je Schülerin und Schüler festgesetzt werden", heißt es im Gutachten. Diese Quoten sollten länderspezifisch festgelegt werden, da die Kosten für Bildung von den Ländern getragen werden.
Auch zum Problem der Wohnungsnot in den Ballungsräumen und wirtschaftlich starken Regionen macht der Sachverständigenrat Vorschläge. Der Wohnungsneubau könne "durch die Mobilisierung von Baulandpotenzialen, stärkere Bauanreize und eine Senkung der Baukosten mittels harmonisierter Bauvorschriften erhöht werden", erklärte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm.
Sie sprach sich gegen eine weitere Absenkung von Kappungsgrenzen für zulässige Erhöhungen von Bestandsmieten in angespannten Wohnungsmärkten aus - denn der Abstand zwischen Neu- und Bestandsmieten sei in Ballungsräumen schon sehr groß und "reduziert die finanziellen Anreize für Umzüge". Eine restriktive Mietenregulierung soll nach Ansicht Grimms "nur temporär gelten". Die Mietpreisbremse etwa solle nach 2028 nicht mehr verlängert werden. Der soziale Wohnungsbau müsse "zielgenauer" werden - hier schlug Grimm Fehlbelegungsabgaben vor.
Die konjunkturelle Lage zeichnet der Sachverständigenrat düster: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei in den vergangenen fünf Jahren nur um 0,1 Prozent gewachsen, die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands bleibe im internationalen Vergleich zurück. Die Prognose für dieses Jahr senkten die Wirtschaftsweisen von plus 0,2 Prozent auf minus 0,1 Prozent ab.
Für das kommende Jahr erwarten sie ein Wachstum von immerhin 0,4 Prozent - auch damit senkten sie aber ihre vorherige Prognose. Die Inflationsrate wird demnach deutlich zurückgehen - auf 2,2 Prozent in diesem und auf 2,1 Prozent im kommenden Jahr. Die Arbeitslosenquote sieht der Rat der Wirtschaftsweisen bei 6,0 Prozent in diesem und 6,1 Prozent im kommenden Jahr.
Die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats werden auf Vorschlag der Bundesregierung für jeweils fünf Jahre berufen. Ihr Jahresgutachten listet Empfehlungen auf - für die Bundesregierung sind sie nicht bindend.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei der Übergabe des Gutachtens, die Vorschläge, "wie man mehr Geld für Investitionen ermöglichen kann", seien für die politische Debatte "natürlich von größter Bedeutung". Die Vorschläge seien aus seiner Sicht auch ein Hinweis, dass die Wachstumsinitiative "sehr dringend notwendig ist".
M.T.Smith--TFWP