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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) mehren sich die Rufe nach einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse. Die Vorsitzende des wirtschaftlichen Beratungsgremiums der Bundesregierung, der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderten dies für das kommende Jahr. SPD-Chefin Saskia Esken bekräftigte ihre Forderung, die Schuldenregeln bereits in diesem Jahr erneut zu lockern. Zahlreiche Projekte, die mit dem KTF finanziert werden sollten, stehen nun auf der Kippe.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht rückwirkend in den Fonds verschoben werden dürfen. Die Mittel waren bislang für zahlreiche klimapolitische Projekte der Ampel vorgesehen. "Es wird deutlich schwieriger werden, die geplanten Investitionen für Klimaprojekte zu finanzieren", sagte Schnitzer dazu.
"Eine transparente Lösung könnte sein, eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse zu begründen mit den Auswirkungen der Energiekrise", sagte die Wirtschaftsweise der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Ähnlich äußerte sich Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB: "Die Auswirkungen der Energiekrise sind längst nicht ausgestanden."
Das jüngste Verfassungsurteil zeige, dass die Schuldenbremse unflexibler und investitionsfeindlicher sei, als viele in Deutschland gedacht hätten, sagte Körzell der "Rheinischen Post". "An einer grundlegenden Reform dieser Zukunftsbremse führt kein Weg vorbei." Auch hier ist er sich mit der Ökonomin Schnitzer einig: "Größere Spielräume für die Schuldenfinanzierung von Nettoinvestitionen" könnten Abhilfe für nun gefährdete Klimaprojekte schaffen, sagte diese.
Grundsätzlich seien eine Reform und eine Flexibilisierung der Schuldenregeln notwendig, sagte Schnitzer weiter. "Es scheint allerdings wenig wahrscheinlich, dass man sich in dieser Legislaturperiode auf eine Reform der Schuldenbremse einigen können wird." Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert, Voraussetzung für Änderungen ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
"Da wir uns durch äußere Einflüsse in einer fortdauernden krisenhaften Situation befinden, plädiere ich auch weiterhin dafür, die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen", sagte SPD-Chefin Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auch eine allgemeine Reform der Schuldenbremse sei "unausweichlich".
Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), forderte rasche Entscheidungen. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wirkt sich auf die gesamte deutsche Klimaschutz- und Energiepolitik aus", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es brauche "schnellstmöglich Klarheit" darüber, wie geplante Klimaschutzprojekte finanziert werden können.
Einem Bericht des "Spiegels" zufolge sind unter anderem Milliarden für Klimaschutzprogramme des Bundesumweltministeriums gefährdet. Es gehe etwa um das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, in dessen Rahmen Moore wieder vernässt und Städte begrünt werden sollen. Auch Energieeffizienzmaßnahmen für Verbraucher oder der klimaresiliente Umbau des Waldes sollten aus dem KTF finanziert werden. Hochrangige Regierungsvertreter befürchten außerdem, dass auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und damit der Bundeshaushalt 2023 nach dem Urteil verfassungswidrig sein könnten, wie das "Handelsblatt" berichtete.
SPD-Chefin Esken will "weder beim Klimaschutz und seiner sozialgerechten Ausgestaltung noch beim Sozialstaat Einsparungen zulassen". Sie erneuerte stattdessen die Forderung der SPD, über höhere Steuern für Spitzenverdiener für Mehreinnahmen zu sorgen. Auch DGB-Vorstand Körzell sprach sich dafür aus, "hohe Vermögen stärker zur Finanzierung der Transformation" heranzuziehen. "Alles andere wäre angesichts der Herausforderungen einfach verantwortungslos".
F.Carrillo--TFWP