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Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden in Deutschland ist drei Mal so hoch wie das von Männern und Frauen in einer Partnerschaft. Zu diesem Befund kommt der neue Familienbericht, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedete. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kritisierte die Rahmenbedingungen für Alleinerziehende. Diese seien "nach wie vor nicht gut" - etwa bei der Kinderbetreuung oder bei Job-Angeboten für Alleinerziehende.
Dem Bericht zufolge lebten 2023 rund 1,7 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern im Haushalt - das ist jede fünfte Familie. Der meisten Alleinerziehenden sind Frauen. Der Anteil der Väter wächst allerdings und lag im Jahr 2023 bei 18 Prozent.
Alleinerziehende Mütter sind dem Bericht zufolge besonders oft von Armut bedroht. Obwohl sie überwiegend erwerbstätig sind, sind viele auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Viele Mütter konzentrierten sich auf die Sorgearbeit und stiegen aus dem Beruf aus oder reduzierten ihre Erwerbsarbeit - und gingen dadurch hohe finanzielle Risiken ein. Entsprechend ist das Armutsrisiko von Alleinerziehenden etwa drei Mal höher als das von Frauen in Paarbeziehungen.
"Gerade Alleinerziehende sind auf eine verlässliche Kinderbetreuung angewiesen, um ökonomisch eigenständig zu sein", erklärte Ministerin Paus. Sie forderte eine "gezielte Unterstützung für Alleinerziehende - etwa durch eine Steuergutschrift".
Die Grünen-Politikerin kritisierte zudem, dass der Arbeitsmarkt für Allein- oder getrennt Erziehende nicht gemacht sei. Die Integration alleinerziehder Mütter in den Arbeitsmarkt sei "auch eine Sache der Wirtschaft", sagte Paus in der ARD. Weil die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt nicht passend für sie seien, seien alleinerziehende Frauen besonders häufig von Armut betroffen.
"Aber die Politik sollte eben auch gezielt anschauen, welche zusätzlichen Bedarfe Trennungsfamilien haben", sagte Paus. Trennungsfamilien hätten einen Mehrbedarf, wenn sie mit zwei Haushalten getrennt lebten. "Auch dort sollte es mehr Unterstützung geben", sagte Paus.
Dass sich beide Elternteile nach einer Trennung die Kinderbetreuung teilen, ist dem Bericht zufolge die Ausnahme. 51 Prozent der betroffenen Kinder übernachten demnach nie beim anderen Elternteil. In nur acht Prozent der Fälle ist die Betreuung gleichmäßig aufgeteilt.
Erstellt hat den Bericht eine Kommission aus Sachverständigen, die vor zwei Jahren von Paus' Ministerium eingesetzt worden war, um sich mit der Lebenssituation von Alleinerziehenden und getrennt lebenden Eltern sowie ihren Kindern zu befassen.
Die Kommission schlug eine Reihe von Maßnahmen vor, um deren Situation zu verbessern. Es müsse eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung angeboten werden. Die Kommission empfiehlt, für alle Eltern mit Kindern ab dem Alter von einem Jahr bis zum Ende der Grundschule einen Rechtsanspruch auf acht Stunden Betreuung in einer Kindertageseinrichtung, Tagespflege oder Ganztagsschule einzuführen - an allen fünf Werktagen.
Die Politik sollte Wahlmöglichkeiten eröffnen, damit Eltern nach Trennung oder Scheidung die Betreuung ihrer Kinder besser vereinbaren können. Zudem müsse die Beantragung von Transferleistungen sowie der Zugang zu Angeboten der sozialen Finanz-, Existenzsicherungs- und Schuldnerberatung erleichtert werden, da Alleinerziehende häufig verschuldet seien.
P.Navarro--TFWP