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Die Abgeordneten im Europaparlement haben sich einen harten Schlagabtausch mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban geliefert. Parlamentarier von den Konservativen bis zur Linken warfen Orban eine zu große Nähe zu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor und prangerten Grundrechtsverstöße und Korruption in Ungarn an. Der Rechtsnationalist warf den Abgeordneten daraufhin "linke Lügen" über sein Land vor und sprach von "einer Art Intifada" gegen Ungarn. Applaus erhielt Orban aus dem Rechtsaußen-Lager.
Anlass für die Konfrontation war eine Rede Orbans zu den Prioritäten des ungarischen Ratsvorsitzes in diesem Halbjahr. Der seit 2010 regierende Ministerpräsident forderte darin eine radikale Kehrtwende in der europäischen Migrations-, Außen- und Klimapolitik.
"Lassen Sie uns Europa wieder groß machen", rief der Rechtsnationalist den Abgeordneten zu. Er zitierte damit das Motto der Ratspräsidentschaft, eine Abwandlung des Slogans "Make America Great Again" von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Orban hatte zuvor bereits erklärt, er werde im Fall eines Siegs des Rechtspopulisten Trump bei der US-Wahl am 5. November "mehrere Flaschen Champagner öffnen".
Orban stellte in seiner Rede vor dem europäischen Parlament zentrale EU-Beschlüsse der vergangenen Jahre in Frage. "Das europäische Asylsystem funktioniert einfach nicht", erklärte er. Die EU dürfe keine Migranten mehr hereinlassen, sondern müsse sie von Zentren in Drittländern aus zurückführen, forderte der Regierungschef, dessen Land wegen Missachtung der EU-Asylpolitik mehrfach von den obersten Gerichten verurteilt worden war.
Zudem bedrohe die Abkopplung der EU von russischem Öl und Gas das Wachstum in Europa, kritisierte Orban, dessen Land seine Gasbezüge aus Russland ungeachtet des Angriffskriegs gegen die Ukraine noch ausgebaut hat. In der Klimapolitik forderte Orban, die "Quintessenz" des Green Deal in Frage zu stellen, mit dem die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden will.
Während Orbans Rede schwenkten sozialdemokratische Abgeordnete Schilder mit der Aufschrift "Demokraten gegen Autokraten". Das linke Lager stimmte nach seiner Ansprache die antifaschistische Hymne "Bella Ciao" an. Das Rechtsaußen-Lager applaudierte dem Ungarn dagegen im Stehen.
In der folgenden Debatte ergriff EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuerst das Wort. Zur selbst erklärten "Friedensinitiative" des Ungarn im Ukraine-Krieg und seiner Reise zu Kreml-Chef Wladimir Putin sagte von der Leyen, es gebe immer noch einige, die den Angriffskrieg nicht "Putins Lust nach Macht anlasten, sondern dem Freiheitsdurst der Ukraine".
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU) äußerte sich "schockiert", weil Orban die Lage in der Ukraine mit keinem Wort erwähnt hatte. Orbans Treffen mit Putin, Trump und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping verurteilte Weber als "Propagandashow für die Autokraten".
Rednerinnen und Redner der Sozialdemokraten, Grünen und Linken kritisierten zudem massive Grundrechtsverstöße und die Veruntreuung von Steuerzahlergeld in Ungarn. Die EU hat wegen der Missstände mehr als 20 Milliarden Euro an Fördergeldern für das Land eingefroren - was Orban wiederholt als "Erpressung" angeprangert hat.
In der Straßburger Debatte trat auch Orbans ungarischer Rivale Peter Magyar auf. Er sagte, unter Orban sei Ungarn "eines der korruptesten Länder in der Europäischen Union" geworden". Der Oppositionsführer von der Mitte-Rechts-Partei Tisza sitzt seit Juni im Europaparlament.
Politiker aus Orbans neuer Rechtsaußen-Fraktion "Patrioten für Europa" äußerten sich hoch zufrieden über dessen Rede und sprachen von "frischem Wind" im Europaparlament. Neben Orbans Fidesz-Partei gehören zu den "Patrioten" unter anderem das Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen und die FPÖ aus Österreich. Das Rechtsaußenlager hatte bei den Europawahlen Anfang Juni deutlich zugelegt.
S.Palmer--TFWP