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Bei der jährlichen Parade zum Tag des Sieges im Zweiten Weltkrieg hat Russlands Präsident Wladimir Putin erneut Parallelen zwischen dem Kampf gegen Nazi-Deutschland und dem Militäreinsatz in der Ukraine gezogen. Zugleich machte der Kreml-Chef erneut den Westen für den Ukraine-Krieg verantwortlich und warnte vor der Gefahr eines neuen Weltkriegs. Anders als von einigen westlichen Beobachtern befürchtet, kündigte er aber keine Ausweitung des Militäreinsatzes im Nachbarland an.
Es müsse alles getan werden, um den "Schrecken eines globalen Kriegs" zu verhindern, sagte Putin. "Ihr kämpft für das Vaterland, für seine Zukunft, damit niemand die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg vergisst", sagte er an die Soldaten gerichtet, von denen einige zuvor in der Ukraine im Einsatz gewesen waren. Sie hätten dort das "Vaterland" vor der "inakzeptablen Bedrohung" verteidigt, die das vom Westen unterstützte Nachbarland für Russland darstelle.
Putin warf der Ukraine und der Nato vor, "eine Invasion unserer historischen Gebiete" geplant zu haben, darunter der 2014 von Russland annektierten Krim-Halbinsel und der mehrheitlich russischsprachigen "Volksrepubliken" in der Ostukraine. Auch strebe Kiew nach der Atombombe. Russland habe daher keine andere Wahl gehabt, als präventiv zu agieren. Der Ukraine-Einsatz sei "die einzig richtige Entscheidung" für ein "souveränes, starkes und unabhängiges Land".
Die Bundesregierung wies Putins Rechtfertigung für die russische Offensive zurück. "Russland hat diesen Krieg entfesselt", betonte Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Der Verweis auf eine angebliche Bedrohung durch den Westen und die Nato entbehre "jeder Grundlage", betonte auch ein Sprecher der Auswärtigen Amts.
Rund 11.000 Soldaten marschierten am Montag auf dem Roten Platz auf und präsentierten mehr als 130 Panzer sowie schweres Geschütz wie Langstreckenraketenwerfer. Eine geplante Schau der Luftwaffe wurde nach offiziellen Angaben wetterbedingt abgesagt. In der fast vollständig von russischen Truppen kontrollierten ukrainischen Stadt Mariupol gab es zudem eine Parade pro-russischer Separatisten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte anlässlich des Weltkriegsgedenkens, es dürfe nicht zugelassen werden, dass Russland sich den Sieg über Nazi-Deutschland "aneignet". Er erinnerte an die Ukrainer, "die gemeinsam mit anderen Nationen in der Anti-Hitler-Koalition den Nationalsozialismus besiegt haben".
Selenskyj zählte mehrere Städte auf, die derzeit unter russischer Kontrolle stehen und aus denen die Ukrainer im Zweiten Weltkrieg die Nazis vertrieben hatten. "Wir haben damals gewonnen. Wir werden jetzt gewinnen", betonte der ukrainische Präsident.
Auch EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich überzeugt, dass Russland "keinen Erfolg" haben wird. Er musste sich allerdings bei einem unangekündigten Besuch in der südukrainischen Hafenstadt Odessa vor Raketenangriffen in Sicherheit bringen. Michel habe ein Gespräch mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal unterbrochen, "um Schutz zu suchen, als erneut Raketen in der Region Odessa einschlugen", sagte ein EU-Vertreter.
Die Kämpfe in der Ukraine konzentrierten sich am Montag weiter auf den Osten. Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gajdaj, sprach von "sehr intensiven" Gefechten rund um Bilohoriwka und Rubischne. Bei einem Luftangriff auf eine Schule in dem Dorf Bilohoriwka waren am Sonntag nach ukrainischen Angaben 60 Zivilisten getötet worden - eine der höchsten Todeszahlen bei einem einzelnen Angriff seit Beginn des Krieges.
In Sewerodonezk, der östlichsten Stadt, die noch von der Ukraine gehalten wird, drangen Russlands Truppen nach Angaben eines ukrainischen Soldaten in den Norden der Stadt ein. Reporter der Nachrichtenagentur AFP sahen, wie eine Kolonne von ukrainischen Militärfahrzeugen über die Hauptstraße stadtauswärts fuhr. Dies deutete darauf hin, dass die Ukraine womöglich die Verteidigung ihrer letzten Hochburg in der Region Luhansk aufgeben könnte. Russische Soldaten beschossen die Ausfahrtstraßen massiv, die ukrainische Armee feuerte zurück.
Der UN-Menschenrechtsrat hält auf einen von mehr als 50 Staaten unterstützten Antrag Kiews hin am Donnerstag eine Sondersitzung zur Lage der Menschenrechte in der Ukraine ab. Bei der Sitzung soll "die Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Ukraine untersucht werden".
T.Gilbert--TFWP