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Die russische Armee hat den Druck auf die ukrainische Hauptstadt Kiew weiter erhöht und ihre Angriffe auf Städte im Süden des Landes verstärkt. In der Hafenstadt Mykolajiw wurden am Samstag mehrere Krankenhäuser beschossen. Die Bewohner von Mariupol hofften angesichts der humanitären Notlage in der eingekesselten Stadt auf die Ankunft eines Hilfskonvois. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht derweil erste Veränderungen in der Verhandlungsposition der russischen Regierung, die nun offenbar zum Dialog bereit sei.
Vorstädte im Nordwesten Kiews werden seit Tagen von schweren Luftangriffen erschüttert. Inzwischen rücken russische Panzer zudem von Nordosten her auf Kiew vor. AFP-Reporter berichteten am Samstag von dichten Rauchwolken über den nordöstlichen Vororten Kiews. Die ukrainische Armee leiste erbitterten Widerstand. Nach Angaben des britischen Außenministerium befanden sich die russischen Streitkräfte am Samstag rund 25 Kilometer von Kiew entfernt.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte, die Hauptstadt verstärke ihre Verteidigung und stocke ihre Vorräte an Lebensmitteln und Medikamenten auf. Busse brachten weiterhin Flüchtlinge aus den bombardierten Vororten in die Hauptstadt. "Wir werden nicht aufgeben", betonte Klitschko. Ein Berater von Präsident Selenskyj sagte, Kiew bereite sich auf eine "erbitterte Verteidigung" vor.
Nahe der Hauptstadt griff die russische Armee nach ukrainischen Angaben einen Fluchtkorridor an. Sieben Menschen, unter ihnen ein Kind, seien getötet worden, erklärte der ukrainische Militärgeheimdienst im Onlinedienst Facebook. Der Angriff auf die zwischen den Kriegsparteien vereinbarten Fluchtroute aus dem Dorf Peremoga habe sich am Freitag ereignet.
In der Schwarzmeer-Hafenstadt Mykolajiw beschoss die russische Armee am Samstag mehrere Krankenhäuser, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Getroffen wurden unter anderem eine Tagesklinik für Krebspatienten und eine Augenklinik.
Die ukrainischen Behörden starteten einen neuen Versuch, die Bevölkerung von Mariupol mit humanitären Hilfslieferungen zu versorgen. Ein von orthodoxen Priestern begleiteter Konvoi aus mindestens einem Dutzend Bussen fuhr vom mehr als 200 Kilometer entfernten Saporischschja aus in Richtung Mariupol, wie Mariupols Vize-Bürgermeister Serhij Orlow sagte.
Der Konvoi wurde am Samstag mehr als fünf Stunden an einer russischen Straßensperre blockiert. Es bestehe die Hoffnung, dass er am Sonntag über Berdiansk nach Mariupol gelangen könnte, sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk.
In der seit mehr als anderthalb Wochen von der russischen Armee eingekesselten Hafenstadt starben nach Regierungsangaben mehr als 1500 Zivilisten. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach von der "schlimmsten humanitären Katastrophe auf dem Planeten".
Verhandlungen über eine allgemeine Waffenruhe blieben bislang erfolglos. Russland verfolgt nach Angaben Selenskyjs bei den Gesprächen inzwischen aber einen "grundlegend anderen Ansatz". Zunächst hätten die Vertreter Moskaus nur "Ultimaten gestellt", sagte Selenskyj am Samstag. Mittlerweile habe man "angefangen zu reden". Er sei "froh", ein "Signal aus Russland erhalten" zu haben.
Nach Angaben der Ukraine wurden seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 12.000 russische Soldaten getötet. Moskau hatte in der vergangenen Woche von knapp 500 getöteten Soldaten gesprochen. Die USA gehen von 2000 bis 4000 Toten auf russischer Seite aus. Auf ukrainischer Seite starben laut Selenskyj rund 1300 Soldaten.
Nach Erkenntnissen der UNO wurden seit Kriegsbeginn mindestens 579 Zivilisten in der Ukraine getötet. Die tatsächliche Opferzahl sei aber wohl deutlich höher. Fast 2,6 Millionen Menschen flohen nach UN-Angaben seit Beginn des russischen Angriffs aus der Ukraine.
Einen neuen diplomatischen Anlauf in dem Konflikt starteten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. In einem erneuten Telefonat mit Putin forderten sie einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und ein Ende der Belagerung von Mariupol. Putin wiederum warf der ukrainischen Armee in dem Telefonat "eklatante Verstöße" gegen das humanitäre Völkerrecht vor. Dies wies Macron als "Lügen" zurück.
US-Präsident Joe Biden bewilligte unterdessen weitere Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 200 Millionen Dollar. Die Mittel sind den Angaben zufolge "für Verteidigungsmaterial und -dienstleistungen" sowie für "militärisches Training" vorgesehen. Die USA hatten Kiew bereits Ende Februar eine beispiellose Militärhilfe im Umfang von 350 Millionen Dollar zugesagt.
H.Carroll--TFWP