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Neue Forderungen Russlands haben Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch in den Atomverhandlungen mit dem Iran gedämpft. Zwar vereinbarten der Iran und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), verbliebene Differenzen auf dem Weg zur Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens "pragmatisch" beilegen zu wollen, wie beide Seiten am Samstag nach Gesprächen von IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran mitteilten. Doch Russland errichtete neue Hürden.
Die britische Verhandlungsseite hatte am Freitag erklärt, ein Durchbruch bei den Wiener Verhandlungen sei in greifbarer Nähe. Russland, ebenfalls Verhandlungspartner, forderte am Samstag jedoch "schriftliche Garantien" der USA, dass die wegen des Einmarschs in der Ukraine verhängten Sanktionen gegen Russland nicht Moskaus Rechte im Rahmen des Atomabkommens beeinträchtigen würden.
Wie schon im Atomabkommen von 2015 könnte Russland bei der Umsetzung einer neuen Einigung eine wichtige Rolle spielen und zum Beispiel angereichertes Uran aus dem Iran beziehen.
Die Vereinbarung mit dem Iran stehe zwar vor dem Abschluss, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Die "aggressiven Sanktionen" des Westens wegen des Militäreinsatzes in der Ukraine seien aber ein Problem. Moskau gehe es um "uneingeschränkten Handel, wirtschaftliche und investive Zusammenarbeit sowie militärisch-technische Kooperation mit dem Iran".
US-Außenminister Antony Blinken wies diese Einwände als "irrelevant" zurück. Die aktuellen Russland-Sanktionen "haben nichts mit dem Iran-Atomabkommen zu tun", sagte er am Sonntag im US-Sender CBS. Im Übrigen sei es auch im Interesse Russlands, dass der Iran nicht in der Lage sei, Atomwaffen zu produzieren.
Lawrows Äußerungen erfolgten zeitgleich mit einem Besuch des IAEA-Chefs Grossi in Teheran. Die UN-Behörde fordert seit langem Klarstellungen von Teheran zu früheren Beständen nuklearen Materials in nicht deklarierten Anlagen.
Nach seinen Gesprächen mit dem Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Mohammad Eslami, sowie mit Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte Grossi, es gebe noch "eine Reihe wichtiger Fragen zu klären". Beide Seiten hätten beschlossen, dabei "einen praktischen, pragmatischen Ansatz" zu verfolgen. Eslami sagte, beide Seiten hätten vereinbart, einige wichtige Dokumente bis zum 22. Mai auszutauschen.
Nach seiner Rückkehr nach Wien zeigte sich Grossi zurückhaltend. Er "habe keine Kristallkugel", um den Ausgang des Prozesses vorauszusagen, sagte er vor Journalisten. "Es gibt keine künstliche Frist, keine vorab beschlossene Entscheidung." Wenn der Iran nicht kooperiere, "werde ich nicht aufhören, Fragen zu stellen", betonte Grossi. "Politischen" Druck von Seiten der Unterhändler in Wien wies er zurück.
An den Gesprächen über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China beteiligt. Die USA nehmen indirekt daran teil. Die EU agiert bei den Verhandlungen als Vermittlerin zwischen den iranischen Unterhändlern und der US-Delegation. Das Abkommen soll den Iran daran hindern, ein Atomwaffenprogramm aufzubauen, und ihm zugleich ermöglichen, Atomenergie zu friedlichen Zwecken zu nutzen.
Die USA hatten 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump das Atomabkommen von 2015 aufgekündigt und ihre Wirtschaftssanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt. Danach zog sich auch der Iran schrittweise aus der Vereinbarung zurück und fuhr sein Atomprogramm hoch. Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden kamen die Gespräche über ein neues Abkommen wieder in Gang.
Beobachter befürchten, ein neues Abkommen könnte angesichts der nuklearen Fortschritte Teherans bald hinfällig sein. Experten zufolge hat der Iran so stark gegen seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen verstoßen, dass er bald über genug spaltbares Material verfügen könnte, um eine Atombombe bauen zu können. Westliche Staaten hatten daher in den vergangenen Wochen immer wieder von einem sich schließenden Zeitfenster für die Rettung des Atomabkommens gesprochen.
M.Cunningham--TFWP