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Diskriminierung auf dem Amt, bei der Wohnungssuche oder in der Arztpraxis: Mehrere Beauftragte der Bundesregierung haben die Ampel-Koalition zu Gesetzesänderungen aufgerufen, um Menschen in Deutschland wirksamer vor solchen strukturellen Benachteiligungen zu schützen. In einem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht forderten sie eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), um Diskriminierung entgegenzuwirken. Insgesamt nahmen zuletzt Diskriminierungsfälle etwa wegen der Herkunft, der Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung stark zu, kritisierten die Verfasserinnen und Verfasser.
Konkret fordern die Autorinnen und Autoren des Lageberichtes, dass das AGG auch für staatliche Stellen gelten soll. Diese sind bisher nicht erfasst, dabei erlebten Betroffene oft gerade hier Diskriminierung, wie die Antidiskriminierungs-Beauftragte Ferda Ataman am Dienstag bemängelte. Dies betreffe etwa Ämter, Schulen oder Polizeibehörden. "Das AGG ist oft so lückenhaft, dass es selbst bei handfesten Diskriminierungen nicht hilft", sagte Ataman vor Journalisten in Berlin.
Ferner müsse auch die Staatsangehörigkeit als mögliches Diskriminierungsmerkmal ins AGG aufgenommen werden, forderten die Verfasserinnen und Verfasser. Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein etwa kritisierte, dass israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger derzeit von der staatlichen Fluggesellschaft Kuwaits wegen ihrer Nationalität ausgeschlossen würden. Dies geschehe, ohne dass es dagegen in Deutschland rechtliche Handhabe gebe. "Das AGG schützt Jüdinnen und Juden nicht in dem Maß, in dem es möglich ist", sagte Klein.
Um Menschen mit Behinderung besser zu schützen, werden auch mehr Teilhabemöglichkeiten durch Barrierefreiheit gefordert. Der Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, kritisierte, dass viele Produkte und Dienstleistungen in Deutschland nicht für alle gleichermaßen zugänglich seien. Er nannte etwa die Situation bei der Deutschen Bahn "verheerend". Bei den Arztpraxen sei nur ein Viertel barrierefrei, das Recht auf freie Arztwahl sei für Menschen mit Behinderungen daher oft eingeschränkt.
Dem am Dienstag vorgestellten Lagebericht zufolge gab es in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme von Fällen von Diskriminierungen. Im Berichtszeitraum von 2021 bis 2023 wendeten sich rund 20.600 Menschen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. In etwa der Hälfte der Fälle habe diese tätig werden können, sagte Ataman. In den anderen Fällen habe es sich entweder um Vorfälle bei öffentlichen Stellen gehandelt, oder andere Hindernisse wie abgelaufene Fristen hätten einer Befassung im Wege gestanden.
"Dass die Zahlen von Jahr zu Jahr steigen, ist nicht überraschend", sagte Ataman mit Blick auf eine Verrohung der gesellschaftlichen Debatten. "Unser Land steckt in einer Diskriminierungskrise." Das gesellschaftliche Klima werde von Hetze bestimmt. Wahlerfolge der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD wie zuletzt bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen belegten diese Entwicklung. "Viele Menschen fragen sich: 'Bin ich hier noch sicher, und was tut unser Land, um uns zu schützen'", sagte Ataman.
Menschen erlebten immer häufiger strukturelle Benachteiligungen, fuhr Ataman fort. Für Frauen gelte das vor allem im Arbeitsleben, was die Bezahlung oder auch sexuelle Belästigungen angeht. Ältere Menschen würden häufig von Banken benachteiligt, und auch "der Wohnungsmarkt ist ein Hotspot der Diskriminierung", etwa für Menschen mit Migrationsgeschichte, monierte Ataman.
Eine Reform des AGG sei vor dem Hintergrund diesem Hintergrund dringend nötig, werde aber vor allem vom Bundesjustizministerium "verschleppt", kritisierte Ataman. "Offenbar kann man sich nicht darauf einigen, Menschen in Deutschland ordentlich vor Diskriminierung zu schützen". Das grenze für sie an Arbeitsverweigerung.
M.Cunningham--TFWP