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Strafrechtlich verfolgte Minderjährige müssen spätestens bei der ersten Befragung durch die Polizei die Möglichkeit bekommen, sich von einem Rechtsbeistand unterstützen zu lassen. Sonst können die Behörden die Betreffenden nicht befragen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg entschied. Es ging um einen Fall aus Polen. (Az. C-603/22 u.a.)
Dort wurden drei Minderjährige angeklagt, weil sie in eine nicht mehr genutzte Ferienanlage eingebrochen sein sollen. Als sie von der Polizei befragt wurden, war kein Rechtsbeistand dabei. Außerdem wurden sie vor der ersten Befragung nicht über ihre Rechte oder den Ablauf des Verfahrens informiert, ebenso wenig ihre Eltern.
Die Verteidiger beantragten darum, die früheren Aussagen der Verdächtigen als Beweise aus den Akten zu entfernen. Das polnische Gericht bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts. Dieser antwortete nun, dass Minderjährige so schnell wie möglich und spätestens vor ihrer ersten Befragung über ihre Verfahrensrechte belehrt werden müssen.
Diese Informationen müssten sie in einer einfachen und verständlichen Form bekommen. Ein für Erwachsene bestimmtes standardisiertes Dokument reiche nicht aus. Wenn betroffene Minderjährige während des Strafverfahrens 18 Jahre alt werden, verlieren sie dem EuGH zufolge nicht automatisch alle diese Rechte - vor allem nicht das auf einen Beistand. Hier komme es auf den Einzelfall, den Reifegrad und die Schutzbedürftigkeit des Einzelnen an.
Das polnische Gericht muss laut EuGH die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob die Rechte der Minderjährigen gewahrt wurden, und Konsequenzen zu ziehen. Es soll nun beurteilen, ob die entsprechenden polnischen Regelungen mit dem EU-Recht vereinbar sind. Dabei muss das polnische Recht so weit wie möglich EU-rechtskonform ausgelegt werden, wie der EuGH betonte. Sollte das unmöglich sein, dürfe das Gericht die entsprechende nationale Regelung nicht anwenden.
S.Weaver--TFWP