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Ein juristisches Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) bezweifelt, dass die Schufa Daten über Restschuldbefreiungen nach einer Insolvenz länger speichern darf als das öffentliche Register. Die Restschuldbefreiung solle es den Betroffenen ermöglichen, sich wieder am Wirtschaftsleben zu beteiligen, erklärte der zuständige EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen. Würden private Wirtschaftsauskunfteien die Daten länger speichern, würde dieses Ziel vereitelt. (Az. C-634/21 u.a.)
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden muss über die Klagen zweier Bürger wegen solcher Schufa-Einträge entscheiden. Es fragte den EuGH nach der Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung gemäß EU-Recht. Der Generalanwalt beurteilte die Fragen nun in seinem Gutachten. Eine Entscheidung ist das noch nicht, die Richterinnen und Richter in Luxemburg orientieren sich bei ihrem späteren Urteil aber erfahrungsgemäß häufig an den Schlussanträgen.
In Deutschland veröffentlichen Insolvenzgerichte Informationen über Restschuldbefreiungen in einem amtlichen Portal. Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa rufen solche Daten ab und speichern sie bis zu drei Jahre lang. EuGH-Generalanwalt Pikamäe erklärte, dass verschiedene Interessen bei der Datenverarbeitung gegeneinander abgewogen werden müssten. Bei einer längeren Speicherung der Daten sehe es so aus, als könnten die erheblichen negativen Folgen für die Betroffenen gegenüber dem geschäftlichen Interesse der Auskunftei und ihrer Kunden überwiegen.
In Deutschland hat auch der Bundesgerichtshof vor einem Monat über die Speicherungspraxis der Schufa nach Insolvenzen verhandelt. Unter anderem ist offen, ob eine spezielle gesetzliche Regelung für Wirtschaftsauskunfteien notwendig ist. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe deuteten an, dass sie ein Urteil des EuGH zu den Fragen aus Wiesbaden abwarten oder möglicherweise dem Gerichtshof selbst Fragen stellen könnten - ihre Entscheidung wollen sie am 28. März verkünden.
In Luxemburg beurteilte Generalanwalt Pikamäe am Donnerstag auch die Erstellung von Score-Werten durch die Schufa. Eine Bürgerin war vor das Wiesbadener Verwaltungsgericht gezogen, nachdem sie auf Grundlage ihres Schufa-Werts einen Kredit nicht bekommen hatte. Die Schufa weigerte sich, ihre Berechnungsmethode öffentlich zu machen. Der hessische Datenschutzbeauftragte half der Betroffenen nicht weiter.
Laut europäischer Datenschutzgrundverordnung haben Menschen ein Recht darauf, nicht einer Entscheidung unterworfen zu werden, die ausschließlich auf der automatisierten Verarbeitung von Daten beruht, einschließlich Profiling. Dabei sind allerdings Ausnahmen möglich. Pikamäe kam nun in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Datenschutzgrundverordnung hier zum Tragen komme.
Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über Kreditwürdigkeit sei Profiling im Sinne der Verordnung. Betroffene haben seiner Auffassung nach das Recht auf Informationen über die Methode für die Berechnung des Score-Werts und die Gründe, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Ein Termin für die Urteilsverkündung in Luxemburg wurde noch nicht veröffentlicht.
M.Cunningham--TFWP